Iran

Verantwortlich: Dr. Katja Rieck (bis September 2020: Prof. Dr. Raoul Motika)

Laufzeit: Seit April 2019

Das Gebiet des heutigen Irans war lange Zeit mit Anatolien im Westen und Südasien im Osten durch ein Netzwerk des Austausches verbunden, das sich auf Sprache, Religion, Kunst, Wissenschaft und Politik auswirkte. Auch heute sind diese Gebiete durch unterschiedliche kulturelle, wirtschaftliche, religiöse und soziale Netzwerke vielfältig miteinander verflochten, wenngleich sich Form und Inhalt zum Teil stark verändert haben. Allerdings hat die Etablierung disziplinärer Schwerpunkte wie „Naher Osten“ und „Südasien“ oder die zunehmende Ausdifferenzierung auch innerhalb der Turkologie und Iranistik dazu geführt, dass solche Vernetzungen und transnationalen Felder etwas aus dem Blick geraten sind. Jüngste Entwicklungen in den Geisteswissenschaften haben nach Wegen gesucht, solche blinden Flecken der Forschung zu überwinden, indem sie zum Beispiel die Verflechtungen des Mittelmeerraums oder der Welt des Indischen Ozeans bewusst in den Fokus nehmen. Ein ähnliches Potenzial für innovative Forschung besteht darin, die Verbindungen zwischen dem Gebiet des heutigen Iran und der umliegenden Region eines zumindest historischen iranischen Kulturraums, der sich von den westlichen Rändern Anatoliens über Mittelasien bis nach Südasien erstreckt, ernst zu nehmen.

Tagungen und Workshops zu gegenwartsbezogenen wie auch historischen Themenfeldern bilden einen wichtigen Schritt zum Aufbau eines durch eine deutsch-iranische Kooperation angestoßenen, internationalen Forschungsnetzwerks. 

Ermöglicht wurde die Einrichtung des neuen Forschungsschwerpunkts durch die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Großprojekts „Wissen Entgrenzen“ der Max Weber Stiftung.

International Standing Working Group Iran and Beyond – Breaking the Ground for Sustainable Scholarly Collaboration (IRSSC)

Performanz von Kultur, Religion und Körper als Strategien der Selbstermächtigung in der Islamischen Republik Iran

Projektleitung: Dr. Katja Rieck

Principal Investigators: 

PD Dr. Judith I. Haug (OII-Forschungsfeld Musik im Osmanischen Reich und in der Türkei),

PD Dr. Robert Langer (OII-Forschungsfeld Religionsgeschichte Anatoliens),

Dr. Melike Şahinol (OII-Forschungsfeld Mensch, Medizin und Gesellschaft)

Projektdauer: April 2019 – April 2022

Die International Standing Working Group IRSSC hat das Ziel, mittels innovativer Forschungsthemen Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation mit insbesondere iranischen Kolleginnen und Kollegen sowie Wissenschaftseinrichtungen auszuloten. Kulturelle, soziale und religiöse Zusammenhänge im transregionalen Kontinuum zwischen Anatolien und Iran bis nach Pakistan stehen dabei im Fokus.

Unter schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen und im Kontext raschen soziokulturellen Wandels infolge von Globalisierung und demographischen Veränderungen nutzen die Menschen im Iran die ihnen zur Verfügung stehenden kulturellen Ressourcen auf vielfältige Weise. Durch Globalisierung, Migration, Urbanisierung und die Verbreitung (techno)medialer Kommunikationsmöglichkeiten modifizieren und multiplizieren sich kulturelle Ausdrucksformen und differenzieren sich gesellschaftlich aus. Lokale wie auch globale Muster der kulturellen, religiösen und körperlichen Performanz gewinnen dabei an Bedeutung. Tradierte Formen der Authentizität (wie Minderheitsidentitäten oder regionale Musikformen), globale kulturelle Ausdrucksformen (Esoterik, neue Formen der Religiosität, Transhumanismus als postmoderne Strömung, Vegetarismus/Veganismus, musikalische Subkulturen), aber auch moderne technologische Möglichkeiten zur „Verbesserung der menschlichen Natur“ (‚Human Enhancement‘) erzeugen tiefgreifende Transformationen von sozialer Interaktion und Gruppenidentitäten sowie des menschlichen Körpers. IRSSC untersucht anhand ausgewählter Forschungsfragen schwerpunktmäßig im Raum Türkei–Iran–Pakistan, wie diese Konzepte auch grenzüberschreitend miteinander verflochten oder parallel zueinander wirkmächtig sind. 

Die schöpferische Aneignung von Praktiken und Diskursen zur sozialen und individuellen Selbstbehauptung geschieht in einem Spannungsverhältnis und in Wechselwirkung mit heute gültigen normativen Strukturen und Praktiken. Diese umfassen beispielsweise den schiitischen Islam, z. B. hinsichtlich des körperlichen Habitus, der religiösen Rituale, der Geschlechterrollen sowie des aktiven und passiven Zugangs zu Musik. Die Bedingungen moderner Medialität und dadurch vervielfachter sozialer Interaktion führen dabei zu einem größeren, ausdifferenzierten und hybriden Repertoire im Umgang mit Institutionen wie auch mit einer internationalen Öffentlichkeit, z. B. über soziale Medien. Dies soll in Bezug auf die kulturellen Felder Musik, Religion und (körperverändernde) therapeutische und nicht-therapeutische Medizin mit kultur- und sozialwissenschaftlichen Methoden erforscht werden.

Ziel von IRSSC ist neben empirischer Projektforschung das Aufzeigen von Potentialen zum Aufbau eines internationalen Forschungsverbunds, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Region, insbesondere Irans, in die internationale Wissenskommunikation und -produktion einbezieht. 

Drei Forschungsfelder des Orient-Instituts Istanbul (Musik im Osmanischen Reich und in der Türkei, Religionsgeschichte Anatoliens und Mensch, Medizin und Gesellschaft) betreuen im Rahmen von IRSSC sowie innerhalb des Forschungsschwerpunktes Iran folgende Projekte: