Selbstzeugnisse als Quellen zur Geschichte des späten Osmanischen Reichs

Verantwortlich: Dr. Richard Wittmann

Hauptkooperationspartner: Prof. Dr. Christoph Herzog (Universität Bamberg)

Laufzeit: Seit 2010

Die bisherige Historiographie zum späten Osmanischen Reich stützt sich stark auf die in Osmanisch verfassten Dokumente und Akten in öffentlichen Archiven, die zumeist von staatlichen Funktionsträgern verfasst wurden. Im Gegensatz dazu liegt das besondere Augenmerk in diesem Forschungsfeld auf den von der multiethnischen, multikulturellen Bevölkerung des Osmanischen Reiches in ihren jeweiligen Sprachen selbst verfassten autobiographischen Texten auf Osmanisch-Türkisch, Griechisch, Armenisch, Arabisch, Ladino, sowie einer Reihe weiterer Sprachen, die im Osmanischen Reich in Gebrauch waren. Im Mittelpunkt des Forschungsfeldes zu spätosmanischen Selbstzeugnissen stehen Tagebücher, Memoiren, Briefe und andere „Ego-Dokumente” (Jacques Presser) oder „life narratives” (Sidonie Smith/ Julia Watson) der Bewohnerinnen und Bewohner der osmanischen Hauptstadt Istanbul von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die frühen Jahre der Republik Türkei. Mit der Erforschung von Texten dieses Genres soll dieses Forschungsfeld einen Beitrag zur Erforschung der Sozialgeschichte Istanbuls in der Spätphase des Osmanischen Reiches leisten, u.a. auch im Kontext der aktuellen Forschung zu Groß- und Weltreichen. Durch die Einbeziehung osmanischer Primärquellen sollen Anstöße für die bislang stark westlich dominierte bzw. eurozentrische Selbstzeugnisforschung gegeben werden. Die Aufarbeitung dieses Materials, insbesondere auch des nicht-türkischsprachigen Teils davon, verspricht einen signifikanten Beitrag zur Überwindung der – wo nicht in der Theorie, so jedenfalls in der Forschungspraxis dominanten – nationalgeschichtlichen Befangenheit und sprachlich-disziplinären Beschränktheit der Osmanistik. Das Forschungsfeld umfasst individuelle Forschungsarbeiten am Orient-Institut Istanbul, einen interdisziplinären und internationalen Forschungszusammenhang im Rahmen des Istanbul Memories-Projektes, den Ausbau eines Sammelschwerpunktes zu diesem Themenkomplex in der Bibliothek des Orient-Instituts Istanbul, die Ausrichtung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und die Veröffentlichung einschlägiger Publikationen.