Sprach- und literaturwissenschaftliche Turkologie

Museum für Kunst und Gewerbe. 1886.186 f_197a

Verantwortlich: Dr. Ruth Bartholomä (Sprachwissenschaft), Dr. Astrid Menz (Sprachwissenschaft); Dr. Christiane Czygan (Literaturwissenschaft)

Laufzeit: Seit 2012 (Sprachwissenschaft), 2023 (Literaturwissenschaft)

Die als „Turkologie“ bezeichnete Fachrichtung basierte in Deutschland lange Zeit auf breit angelegter philologischer Forschung, die in den letzten Jahrzehnten um andere Perspektiven wie regional-, politik-, wirtschafts- oder kulturwissenschaftliche sowie soziologische Studien erweitert wurde.

Die literaturwissenschaftliche Turkologie am Orient-Institut Istanbul nimmt literarische Werke in den Blick, die zwischen dem 15. und 20. Jahrhundert entstanden. Sie beinhaltet Studien zu Reisebeschreibungen, Briefen, Prosa, Volksdichtung und Aruz-Dichtung. Fragestellungen methodologischer Natur, etwa im Bereich der Poetik, sind von zentraler Bedeutung und verbinden sich mit Untersuchungen zur Verflechtungsgeschichte einzelner Texte. Dabei werden Literaturwissenschaft und Geschichte als sich gegenseitig beeinflussende Disziplinen betrachtet, die eng miteinander verwoben sind. Ferner betreibt die Literaturwissenschaft die Erschließung neuer Quellen, die sowohl textkritisch als auch hermeneutisch untersucht werden. 

Die Literaturwissenschaft ist ein neuer Schwerpunkt am Orient-Institut, der über Literaturtheorie und -analyse hinaus historische und soziale Verwerfungen in den Blick nimmt. Das aktuelle Projekt untersucht Dichtung im Kontext von Herrschaftsvermittlung; konkret wird die Gedichtsammlung Sultan Süleymans des Prächtigen (reg. 1520–1566) in ihrer Hamburger Handschrift analysiert. 

Die sprachwissenschaftliche Turkologie beschäftigt sich mit den Turksprachen, einzeln oder als Sprachfamilie, sowohl diachron als auch synchron. Dies umfasst sowohl Fragen der Rekonstruktion von älteren, nicht belegten Sprachvarietäten, Fragen der genetischen Sprachverwandtschaft und etymologische Fragen, die Bearbeitung von überliefertem Textmaterial und die Erschließung bis dato unbekannter Quellen, als auch die Beschäftigung mit linguistischen Fragestellungen zu den modernen Turksprachen, die Dokumentation bedrohter Sprachen und Varietäten, dialektologische Arbeiten, kontaktlinguistische Fragestellungen und auch soziolinguistische Phänomene. Am Orient-Institut Istanbul wurden bisher u.a. Arbeiten zur türkeitürkischen Dialektologie, zu den iranischen Turksprachen, zu mitteltürkischen Texten, zur Sprachgeschichte des oghusischen Zweigs sowie des südsibirischen Zweigs der Turksprachen durchgeführt. Aktuelle Projekte beschäftigen sich mit Spracheinstellungen in der Türkei sowie mit dem Phänomen der „Linguistic Landscape“, d. h. geschriebenen Sprachen im öffentlichen Raum.